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Das ganze Leben ist ein Spiel

Die Bundeszentrale für politische Bildung produziert das Magazin "fluter." als Printheft und auch Online sowie als PDF-Download. Die Ausgabe Nr. 87 befasst sich ausschließlich mit dem Thema "Spiele". Zahlreiche Beiträge zeigen die unterschiedlichen Aspekte dieses Urphänomens des spielenden Menschen als Homo ludens auf.

fluter. Nr. 87: Spiele

Titelseite vom fluter. Nr. 87: Spiele

"Spielen ist Luxus", sagt der Ludologe Jens Junge "- aber auch unverzichtbar im Umgang mit den Krisen der Welt."

Paul Hofmann spricht im Interview mit Jens Junge über das berühmte Schiller-Zitat von 1795, warum Erwachsene spielen, dass das ganze Leben ein Spiel ist und wir uns im Spiel Gesellschaft anders denken.

Warum das ganze Leben ein Spiel ist

Das Spiel lebt vom "Als ob", von der Fiktion und von dem Umgang mit der Ambivalenz, dem Zufall und dem Unvorhersehbaren. Damit wird aufgezeigt, dass das Kulturgut Spiel die Persönlichkeit des einzelnen Menschen prägt, ihn zu einer Identität kommen lässt, über die er sich mit den Rollen in einer Gesellschaft identifizieren kann. Über das im Spiel gelernte Verhalten, den ständigen Prozess der Adaption und Variation, werden Fähigkeiten und Fertigkeiten erworden, wird ein Wissen gefördert, aus dem heraus der individuelle Kulturfaktor entsteht. Dieser Kulturfaktor prägt als Steuerungsgröße uns Menschen, er bewertet unser Verhalten und das anderer Menschen, er ermöglicht es uns, das persönliche und fachliche Wissen anzueignen, er beinhaltet die dazu verwendeten Normen, Werte, Einstellungen und Glaubenssätze.

Link zum (natürlich viel zu kurzem) Interview online: HIER.

Das Thema Spiel ist so komplex und vielfältig, dass es nicht in einem Gespräch erschöpfend beschrieben oder erklärt werden kann. Die Spielwissenschaften und die Ludologie können selbst in einem solchen Heft der Bundeszentrale für politische Bildung nur kurz und knackig die Dimensionen zum Thema "Political Planet" anreißen. Die Magazinmacher pickten sich elementare Aspekte des Phänomens Spiel heraus: Das Brettspiel, das Sportspiel und Computerspiel, unser Umgang mit dem Zufälligen, dem Unvorhersehbaren, dem Unerwarteten. In den Spielen sind Entscheidungen zu treffen, weil wir die künstliche Herausforderung des Spiels freiwillig annehmen. Spiele sind nicht nur ein Kulturfaktor, sie sind inzwischen als Wirtschaftsgut größer und damit wichtiger als die Film- und Musikbranche. Es werden Milliarden umgesetzt. Spiele können süchtig machen, wie so viele schöne Dinge des Lebens können sie zu einem Kontrollverlust bei einzelnen Menschen führen.

"Der neue fluter blickt also nicht auf Kinderkram, sondern auf eine der wichtigsten Kulturtechniken."

fluter. Nr. 87: Spiele

Themen der Ausgabe sind u.a.: Menschen in Tierköstumen, Gamification, Mancala, die mathematische Spieltheorie in komplexen Entscheidungssituatiionen, Spielhallen in Innenstädten, Pelota, Spielsucht und Computerspiele, Pachinko - Spielhallen in Japan, Free to Play kann teuer werden, die Saudis und die Games, Videospiele, Mario Kart im Unterricht, Spielcasinos in den USA, Basketball und Armut, Cricket in Indien.


Übersichtsseite, Inhaltsangabe mit den separaten Artikeln und PDF-Downloads: HIER.

PDF- Download für das gesamte Heft: HIER.

Wirkung der Spiele auf die Gesellschaft

Warum produziert eine Bundeszentrale für politische Bildung ein Informationsheft "Spiele"? Diese staatliche Institution hat verstanden, dass Spiele nicht nur Kinderkram sind sondern Kulturgut und Wirtschaftsgut in einem.

Es ist seit der Antike schriftlich dokumentiert, dass die griechischen Philosophen Platon (428-347 v.Chr.) und Aristoteles (384-322 v.Chr.) bei ihren Ausführungen zur optimalen Organisation eines Staates, eines größeren menschlichen Miteinanders, die Kraft und die Macht des Spiels kannten und beschrieben. Spiele schaffen und prägen Menschen, wie Kultur. Sie sind ein Grundstein der Bildung. Der römische Rhetorikprofessor Quintilian (35-96 n.Chr.), unter dem Kaiser Vespasian (9-79 n.Chr.), war fest davon überzeugt, dass die Intelligenz und Entwicklungsfähigkeit bei Kindern von Spielen abhängt. Sein Credo war: Der Schulunterricht sollte Merkmale des Spiels tragen. Das haben so manche Pädagogen mit ihrem Frontalunterricht bis heute nicht nachvollziehen können. So war Quintilian also ein erster Verfechter des Game-based Learnings und der Serious Games. Spiele und Spielzeug können lehrreiche Komponenten haben, mit Emotionen zu einem vertieften Wissen und hilfreichen Fähigkeiten führen, direkt in Form von Lernspielen und indirekt in Form von allgemeinen Brett-, Karten- und Computerspielen.

Römisches Spielzeug: Räderpferdchen

Im gemeinsamen Spiel wird ein soziales Miteinander gepflegt, geübt und eintrainiert. Spiele bringen Menschen zusammen und können damit über Altersgrenzen, Religionen und Weltanschauungen hinweg integrativ wirken. Dies trifft für das analoge Spiel ebenso zu, wie die digitalen Online-Spiele im Multiplayermodus, über die Spieler auf der ganzen Welt in Kontakt treten und Teams bilden.

Logo des Spielecafés der Generationen


Spiele sind technologische Vorreiter, sie fördern und fordern technologische Innovationen seit Jahrhunderten. Angefangen mit der Drucktechnik, die zu zahlreichen Kartenmacherwerkstätten in vielen Städten des Mittelalters führten, um Spielkarten produzieren zu können bis hin zu modernsten Computertechnologien, die im Bereich der Grafikkarten, schnellen Rechnerprozessoren, virtuellen Realitäten und der Künstlichen Intelligenz Maßstäbe neu setzen. Technologische Veränderungen aus den Spielen treiben Veränderungen in der Wirtschaft und damit in der Gesellschaft.

Technologischer Fortschritt durch Games


Der wirtschaftliche Einfluss der Spiele als kaufbares Produkt oder als Mediendienst, der Nutzungsrechte und digiatle Items verkauft, ist inzwischen ein weltweites Milliardengeschäft. Entwicklung, Produktion, Marketing und der Vertrieb von Games über digitale Plattformen bis hin zum eSport, der mehr Zuschauer generiert als eine Fußballweltmeisterschaft oder die Olympischen Spiele, beschäftigen tausende von Menschen.

Brettspiele, Games und eSport als wirtschaftlich bedeutende Größe


Der kulturelle Einfluss von Spielen wird in aktuellen Trends deutlich, wo die Spiele die Popkultur und Alltagskultur mehr prägen, als es jedes Theater oder jedes teure Opernhaus könnte. Charaktere und Geschichten aus Spielen können zu Ikonen werden und dann ebenso in Büchern, Filmen und anderen Medien zum Einsatz kommen. Durch Spiele können gesellschaftliche Debatten und Diskussionen zu Gewalt, Sexualität, Ethik, Geschlechtergleichheit und tagesaktueller Politik ausgehandelt werden.

Brettspiel Cascadia, Spiel des Jahres 2022, Thema Artenschutz


Spiele sind so viel mehr als Kinderkram und Zeitvertreib. Es wäre so schön, wenn dies inzwischen auch so manche Kulturpolitikerin oder so mancher Kulturpolitiker einsehen könnte, statt ausschließlich an alten Formen der staatlich hoch subventionierten sogenannten Hochkultur festzuhalten.