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Vom richtigen Umgang mit Rassismus bei Spielzeug

Das Nürnberger Spielzeugmuseum zeigt besispielhaft, wie es funktionieren kann

Wie rassistisch ist unser Spielzeug? Das war die Fragestellung, mit der sich das Nürnberger Spielzeugmuseum 2017 unverhofft konfrontiert sah. Drei Jahre später haben sich Karin Falkenberg, die Leiterin des Museums, und ihr Team dazu entschieden, im Rahmen einer kreativen und sorgsam kuratierten Ausstellung offen mit der Problematik umzugehen.

 

Logo Förderverein Spielzeugmuseum Nürnberg

Tanzendes Blechspielzeug als Impuls

Auslöser der Initiative war ein Blechspielzeug, über das sich eine Schwarze Amerikanerin während ihres Museumsbesuchs beschwert hatte. Dieses auf den ersten Blick scheinbar so harmlose Spielzeug von 1912 zeigt einen Schwarzen Mann, welcher mithilfe eines Aufziehschlüssels zum Tanzen gebracht werden kann.

Doch dahinter verbirgt sich ein Relikt aus der Sklaverei-Geschichte, auf das insbesondere der Name des Ausstellungsstücks "Coon Jigger" hinweist: "Coon", ein veraltetes Schimpfwort für einen Schwarze Menschen, und "Jigger", das einen Parasiten beschreibt.

Spielsachen wie dieses Blechmännchen als Reproduktion eines rassistischen Menschen- und Weltbilds – diese Tatsache löste einen neuen Erkenntnisprozess beim Nürnberger Spielzeugmuseum aus, für das es allerdings erst den Impuls von außen brauchte. Als weiße:r Europäer:in gelinge einem dieser Transfer oftmals nicht, räumt Karin Falkenberg ein. Das mache sich oft auch in gewohnten, bisher unreflektierten Sprachgebräuchen bemerkbar, erklärt sie: "Was wir als eine nicht böse gemeinte Bemerkung verstehen, wirkt beim Gegenüber schnell verletzend."

Spielzeug ist nicht unschuldig. Der "Alabama Coon Jigger" befreit sich von der Fremdbestimmung.

Künstlerisches Empowerment als Mittel gegen Diskriminierung

Nach der einschneidenden Erfahrung rund um den “Coon Jigger” entschied sich die Museumsleiterin, auch andere rassistisch und potenziell verletzende Objekte im Museum aufzuspüren. Diese wurden von der Dauerausstellung zunächst gänzlich entfernt. In der neuen Ausstellung hat sich das Museum nun für eine neue Herangehenweise entschieden: Hier sind acht diskriminierende Exponate wieder zu sehen, allerdings in besonders kuratierter Weise, um bei den Besucher:innen ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen.

Dafür wurden die Spielwaren mithilfe von Schwarzen Künstler:innen auf ermächtigende Art und Weise in Szene gesetzt. Der Schwarze Blechmann zum Beispiel wirft seinen Aufziehschlüssel nun weg, um nicht mehr "auf Befehl" zu tanzen. Kuratorin Mascha Eckert erklärt die Intention hinter dieser Inszenierung: "Wir wollten die Objekte nicht verstecken, aber auch nicht die Rassismen reproduzieren."

Der Schwarze Peter steigt aus seiner Verliererkarte heraus und lässt das Kartenhaus der herrschenden Kolonialherren einstürzen.

Rassistisches Spielzeug ist kein Problem der Vergangenheit

Obwohl viele der problematischen Objekte im Spielzeugmuseum aus Zeiten zwischen 1895 und 1940 stammen, schleicht sich Rassismus bis heute noch in unser Spielzeug. So wird vor allem bei der Abbildung von Schwarzen oft auf Stereotype zurückgegriffen. Hinzu kommt, dass weiße Puppen die Spielzeugregale deutlich dominieren. Auch in Kinderbüchern und -filmen werden weiße Held:innen deutlich häufiger gezeigt als Schwarze Figuren.

Alle diese Spielnormen prägen heute die Kinder unserer Gesellschaft von morgen. Es macht also durchaus Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, inwieweit die Waren, die in den Einkaufswagen wandern und beispielsweise zu Weihnachten verschenkt werden, heikle Stereotypisierungen zusätzlich unterstützen. Hier obliegt es aktuell der erzieherischen Verantwortung, rassistische Tendenzen in Spielzeugartikeln, Werbung und Medien zu erkennen und diese auch vor Kindern deutlich als verletzend einzuordnen.

Stereotype "wild", "unzivilisiert" etc. werden auch im aktuelle Spielzeugangebot bedient. Diese Puppe wurde 2020 online bei einem großen amerikanischen Versandhändler eingekauft.

Laut Falkenberg soll das Nürnberger Spielzeugmuseum in den kommenden Jahren nun komplett umgebaut werden, um dann in Zukunft dem Motto "eine Ecke weiterdenken" zu folgen. Der Plan ist, zu einem "emotionalen Weltmuseum" heranzureifen, in dem bisherige Sichtweisen hinterfragt und eine inklusive Atmosphäre geschaffen werden soll. Die Ausstellung "Spielzeug und Rassismus - Perspektiven, die unter die Haut gehen", die vom 15.07.2021 bis 30.04.2024 zu sehen ist, kann dabei als erster wertvoller Schritt bewertet werden. Sie wird zukünftig in die Dauerausstellung integriert.

Link zur Ausstellungsbeschreibung der Stadt Nürnberg: Hier.

 

Prof. Dr. Karin Falkenberg, Leiterin Spielzeugmuseum Nürnberg; Mascha Eckert, Kuratorin der Ausstellung und Alexandra Conrads, von Diversity Works.

Presseresonanz zum Thema Rassismus bei Spielzeug

Die Resonanz der Presse und in den Sozialen Medien zur Ausstellung war 2021 enorm. Einige Beispiele und Auszüge dazu zeigen, wie das Thema für eine buntere, vielfältigere und auf soziale Nachhaltigkeit ausgerichtete Gesellschaft zahlreiche Menschen bewegt.

 


TV-Sendung vom 15.07.2021, Franken Fernsehen: Hier.



TV-Beitrag von BR Kultur Bühne vom 11.04.2022: Hier.

 


Radio-Sendung vom 15.07.2021, Deutschlandfunk Kultur: Hier.



dpa-Meldung in zahlreichen Zeitungen, print und online vom 15.07.2021, Zeit online: Hier.

 

Nachhaltigkeitsstrategie des Spielzeugmuseums

Das Thema Anti-Rassismus ist ein Element der Nachhaltigkeitsstrategie des Spielzeugmuseums Nürnberg.


Artikel erstellt von Larissa Hellmund.