Dresden, die ehemaligen Hauptstadt und Residenzstadt des Königreiches Sachsen, ist geprägt durch eine militärische Vergangeheit. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, der unter der Führung Preußens sich zur Kleindeutschen Lösung und einem protestantischen deutschen Kaiser entwickelte, wollte dieser neue Nationstaat auf dem europäischen Kontinent seine militärische Macht ausbauen. Das Königreich Sachsen war in diesem deutschen Nationalstaat aufgegangen, aber Dresden bot sich als Standort für ein starkes militärisches Arsenal sehr gut an.
Am Dresdner (heutigen) Olbrichtplatz entstand von 1873 bis 1877 ein eigener Stadtteil für das Militär, die sogenannte Albertstadt als eine der größten Kasernenanlagen Deutschlands.
Militärhistorisches Museum in Dresden: Alte Kasernenanlage und Arsenal von 1877 mit dem Erweiterungsbau (Dreieckskeil) vom Stararchitekten Daniel Libeskind, Fertigstellung 2011
Krieg und Spiel
Sanierung und Umbau dieses Geländes zum "Militärhistorischen Museum" der Bundeswehr von anfänglich 35 Millionen auf 62,5 Millionen Euro schufen einen sehenswerten und monumentalen Ort für die Themen rund um Krieg und Frieden. Und natürlich darf dabei das Thema "Krieg und Spiel" nicht fehlen.
In der Dauerausstellung ist im 2. Stock das Thema integriert worden und eine gut formulierte Informationstafel schlägt für den Besucher die Brücke zwischen dem Spiel und dem spielerischen Umgang mit dem Krieg. Die Dauerausstellung kann nur wenige Aspekte rund um das Thema Spiel aufgreifen, aber sie lässt die Dimensionen dahinter gut erahnen:
Inhaltliche Grundstruktur des Militärhistorischen Museums in Dresden: Im zweiten Stock, "Krieg und Spiel"
"Alle Menschen spielen. Spielen ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen und bei allen Kulturen bekannt. Im Spiel setzen sich Kinder mit der Realität auseinander, indem sie eine erdachte Wirklichkeit schaffen, die sie nach ihren Regeln gestalten. Sie spielen auf einer symbolischen Ebene, wie ihre Welt sein könnte, ohne dass dies tatsächlich Folgen hat. Räuber und Gendarm, gut oder böse, beides ist im Wechsel möglich.
Spielen ist zweckfrei, man spielt um des Spielens willen. Spaß, Spannung und Lebensfreude prägen das Spiel. Gleichzeitig misst man sich am Gegenüber, werden körperliche, psychische und soziale Fähigkeiten ausgebildet. Die Entwicklung der Persönlichkeit und einer eigenen Identität ist für Kinder, die nicht spielen, unmöglich.
Gewalt und Krieg erreichen Kinder medial oder sind Teil ihrer Lebenswirklichkeit. Diese Erfahrungen setzen sich in Kriegs- und Kampfspielen um. Auch Konflikte mit Eltern, Geschwistern oder Freunden fließen dabei ein. Dabei ist die Aggression, z.B. bei einer wilden Schneeballschlacht, Teil des Spiels. Sie ist nicht „echt“, eine ernsthafte Verletzungsabsicht besteht nicht. Wenn das Spiel in Ernst umschlägt, ist die Ebene des Spiels verlassen.
Der Krieg ist eines der ältesten Themen, das im Spielzeug gestaltet wird. Kriegsspielzeuge sind Produkte ihrer Zeit, die durch herrschende Wertvorstellungen und politische Ideen geprägt sind. So zeugen die Zinnsoldaten des 19. Jahrhunderts von der herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung des Militärs. Über den pädagogischen Nutzen oder Schaden von Kriegsspielzeug ist immer wieder gestritten worden. Für die Entwicklung von Kindern ist letztendlich entscheidend, wie in Familie und Gesellschaft Konflikte gelöst werden."
Text aus der Dauerausstellung „Krieg und Spiel“, Link zur Website des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden: HIER.
Kriegsspielzeug mit Zinsoldaten, Elastolinsoldaten oder Plastiksoldaten
Deutsches Brettspiel "Adler-Luftkampfspiel" von 1935-1941, Verlag Hugo Gräfe, Dresden, Kampfspiel für 2 und mehr Personen, Illustrator: Hans von Medvey
Die Sammlung Haas-Lemcke (Walter Luc Haas und Peter Lemcke) befindet sich im Depot des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr.
Spielend in den Krieg - Kriegsspielzeug und Kriegsspiele
Der Sammler Wolfgang Morawe hat seine Objekte in einem anschaulichen Buch veröffentlicht: "Spielend in den Kireg - Das deutsche Kaiserreich und der Erste Weltkrieg: Brettspiele und Spielzeug als Spiegel der Gesellschaft" (2019).
Buchtitel von der Sammlung Wolfgang Morawe
Der Spielesammler Wolfgang Morawe aus Geilenkirchen ist ein Liebhaber historischer Spiele. Mit seinen Spielen und Spielzeugen verdeutlicht er, wie eine thematische Anknüpfung und die Spielgestaltung die gesellschaftlichen Entwicklungen widerspiegeln. Während der preußischen Kaiserzeit in Deutschland (1871-1918) sind besonders viele Spielmittel mit einem militärischen Hintergrund produziert und verkauft worden. Dieses spielerische Angebot macht besonders das sehr bedenkliche und merkwürdige Verhältnis von Krieg und Spiel, dem Spiel mit dem Krieg oder gar das "Krieg spielen" deutlich.
Der Autor und Kurator der gleichnamigen Ausstellung hat fast 800 Exponate zusammengetragen, vorrangig Gesellschaftsspiele, aber auch Blechspielzeug und weitere spielerische Dokumente dieser das Militär verherrlichenden Epoche in Form einer omnipräsenten Alltags- und Unterhaltungskultur im und mit dem Spiel.
Mit diesen Spielen wird der fundamentale gesellschaftliche Widerspruch zwischen einer wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen und sozialen Weiterentwicklung während der intensiven Industrialisierungsphase Deutschlands zu einer der führenden Volkswirtschaften Europas bei den gleichzeitig rückwärtsgewandten und bewahrenden, feudal-politischen Herrschaftsstrukturen deutlich (vgl. Morawe, S. 4).
Die unheilvollen Folgen dieses Widerspruchs führten mit der nach Dominanz strebenden deutschen Großmachtpolitik zu der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, dem I. Weltkrieg von 1914 bis 1981. Permanente militärische Aufrüstung, verbunden mit einem nicht zu gewinnenden Wettlauf bei der deutschen Flottenpolitik gegen Großbritannien führten zu einer gesellschfatlichen Militarisierung, die nur kriegerisch und den Tod bringend enden konnte.Oder wie Morawe es sagt: "Deutschland sei spielend in den Krieg gestolpert."
Spiele, Bücher, Postkarten: "Wer will unter die Soldaten..."
Der Kinderlied von Friedrich Güll (1812-1879) und Friedrich Wilhelm Kücken (1810-1882) spiegelt den durch das Militär geprägten Zeitgeist wider.
Wer will unter die Soldaten
Wer will unter die Soldaten,
der muss haben ein Gewehr,
der muss haben ein Gewehr,
das muss er mit Pulver laden
und mit einer Kugel schwer.
Büblein, wirst du ein Rekrut,
merk' dir dieses Liebchen gut!
Hopp, hopp, hopp, hopp, hopp, hopp,
hopp, hopp, hopp, hopp, hopp, hopp!
Büblein, wirst du ein Rekrut,
merk' dir dieses Liedchen gut!
Pferdchen, munter, immer munter,
lauf Galopp, hopp, hopp, hopp, hopp, hopp, hopp,
lauf Galopp!
Der muss an der linken Seiten
einen scharfen Säbel han,
dass er, wenn die Feinde streiten,
schießen und auch fechten kann.
Einen Gaul zum Galoppieren
und von Silber auch zwei Sporn,
Zaum und Zügel zum Regieren,
wenn er Sprünge macht im Zorn.
Einen Schnurrbart an der Nasen,
auf dem Kopfe einen Helm:
sonst, wenn die Trompeten blasen,
ist er nur ein armer Schelm.
Doch vor allem muss Courage
haben jeder, jeder Held.
Sonst erreicht ihn die Blamage,
zieht er ohne sie ins Feld.
Spielen ist nicht immer unschuldig
Kindererziehung und das Spiel als Methode, um Kinder darauf vorzubereiten, in den Krieg, "ins Feld", auf das Schlachtfeld zu ziehen. Der Kriegskampf und der Heldentod werden spielerisch fröhlich als Lebensziel propagiert. Spiele und das Spielen sind damit nicht immer unschuldig, wenn die Kraft des Spiels für politische Zwecke manipulierend, bewusst eingesetzt wird, um ein kriegsbereites, großes Volksheer machtpolitisch gezielt formen zu wollen. Spiele dringen viel intensiver in den ansonsten sehr intimen Bereich der Familie vor, als es andere Medien der Alltagskultur können.
Idyllische Postkarte mit Kindern im Soldatenspiel aus der deutschen Kaiserzeit 1895
Kinderbuch aus dem Franz Schneider Verlag, 1938 (üble Nazi-Propaganda): "Horst will unter die Soldaten" von Oberstleutnant a.D. Albert Benary (indiziert)
Kinderbuchillustration aus dem Franz Schneider Verlag, 1938 (üble Nazi-Propaganda): "Horst will unter die Soldaten" von Oberstleutnant a.D. Albert Benary (indiziert), verklärendes Soldatenbild mit reitenden Soldaten obwohl der "Soldatenalltag" der industriellen Massenschlacht des I. Weltkriegs gerade einmal 20 Jahre her war
Kinderlieder, Kinderbücher, Spielzeug und Kriegsspiele können den Schrecken und das Leid eines Krieges verklären und Gewalt als Lösungsweg normalisieren. Sie tragen dann dazu bei, militärische Aggressionen und Konflikte zu glorifizieren oder gar zu romantisieren, wenn es um die Ehre gehen soll, den Heldentod auf dem Schlachtfeld sterben zu können. Die Vernichtung von Leben, das Morden und Töten sollte innerhalb einer humanen Gesellschaft immer entschieden abgelehnt und verhindert werden. Nur was tun, wenn es einen Aggressor gibt, der das Töten und Vernichten im Sinn hat? Dann sollte sich eine Gesellschaft auch verteidigen können.
Innerhalb der Spielwissenschaften ist die Epoche des deutschen Kaiserreiches mit seinen Kriegsspielen und ihren Implikationen bisher nur rudimentär erforscht worden. Einen erster Sammelband ("Agon und Ares"), der das Kulturgut Spiel ebenso ernst nimmt, wie Literatur, Plakate und Filme, zeigt, wie in Kinderzimmern ab dem 18. Jahrhundert aufgerüstet wurde, soldatische Tugenden trainiert werden sollten (s.u.). Die Historie der Gesellschaftsspiele mit ihren Wirkungen innerhalb der Alltagskultur ist jedoch in den verschiedenen Disziplinen der Spielwissenschaften bisher nicht ausreichend erschlossen worden. Der 2016 erschienene Band aus den Kulturwissenschaften ist dazu ein löblicher Aufschlag.
Der Krieg und die Spiele
Der österreichische Spieleforscher Ernst Strouhal hat 2016 sein Buch "Agon und Ares. Der Krieg und die Spiele" herausgegeben und dazu 18 spielwissenschaftliche Kollegen motivieren können, einen Beitrag zu verfassen.
Buchtitel "Agon und Ares. Der Krieg und die Spiele" (2016)
Themen des Bandes u.a.: "Kriegsspiel - Panoramablick auf ein schwieriges Kompositum" (Ulrich Schädler), Spieltheorie und Simulation, "Zwischen Krieg und Spiel - Spieltheoretische Analyse und militärisches Interesse" (Manfred J. Holler), Spiele im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Spiele an verschiedenen Fronten (Sowjetunion, Israel, Japan), "Ludische Mobilmachung" (Mathias Fuchs).
Massenhaft kamen die sogenannten "Belagerungs- und Festungsspiele" als Abwandlung des Damespiels auf die bürgerlichen Spieltische, sie scheinen eines der kommerziell erfolgreichsten Spiele des 19. Jahrhunderts gewesen zu sein (s. Schädler, Ulrich, S. 190). Diese Brettspiele sind ein klassisches asymetrisches Strategiespiel und heißen international "Asalto" (spanisch für "Angriff"). Sie sind eindeutig aus der mittelalterlichen Kriegsführung gegen Festungen, Städte und Verteidigungsanlagen heraus geprägt. In dem Zweipersonenspiel übernimmt ein Spieler die Rolle des Angreifers mit 24 Spielsteinen und der andere Spieler die Rolle des Verteidigers mit 2 Spielsteinen.
Klassisches Belagerungs- und Festungsspiel des 19. Jahrhunderts (s. Wikipedia)
Die militärische und politische Instrumentalisierung der Spielemittel umfasste sämtliche Formen von Spielzeug, Brett- und Kartenspielen. Sie sind nicht nur ein Zeitdokument einer heute unfassbaren Kriegsbegeisterung in Europa, sie sind ebenso ein Ventil für die Widersprüche einer Wirklichkeit, die durch symbolische, spielerische Handlungen emotional und ratiional verarbeitet werden mussten.
Sehr oft wurden von den Spieleautoren dieser Zeit bekannte, übliche Spielmechaniken für die "neuen" Kriegsspiele adaptiert. Damit täuschen die Spiele eine Vorstellung vom Kriegshandeln vor, als ob diese ähnlich rational berechenbar und spielerisch absehbar wären, wie die durch zahlreiche Zufälle sowie eine uneinsehbare Komplexität dominierende kriegerische und ernsthafte Realität. Selbst der preußische General Carl von Clausewitz (1780-1831), Autor des Buches "Vom Kriege", weiß: "Der Krieg ist das Gebiet der Ungewißheit; drei Viertel derjenigen Dinge, worauf das Handeln im Kriege gebaut wird, liegen im Nebel einer mehr oder weniger großen Ungewißheit. ... Der Krieg ist das Gebiet des Zufalls." (s. von Clausewitz, Carl (1832-1834), Vom Kriege, Rowohlt 1990, S. 34).
Buchtitel: "Vom Kriege", Carl von Clausewitz
(erschienen 1832-1834), aktuell Rowohlt 1990
Symbol des menschlichen Wettkampfes als soziale Wesen: Schach
Ab dem 13. Jahrhundert (s. "Das Buch der Spiele" vom spanischen König Alfons X. der Weise, 1284, Lit Verlag 2011) hat sich das aus Indien und Persien kommende Schachspiel in Europa etabliert. Bei diesem strategischen Brettspiel mit seinen 64 Feldern und 6 Arten von Spielfiguren (König, Dame, Läufer, Pferd, Turm und Bauer) liegen sämtliche Informationen für einen Spielverlauf offen. Der den Krieg prägende Zufall wird in diesem Modell eines kriegerischen Kampfes mit zwei gleichstarken Armeen ausgeschlossen.
Wie die Könige und Herrführer in einer antiken oder mittelalterlichen Zeit ihre Fußsoldaten (Bauern) und die Reiter (Pferde) für eine Schlachtordnung aufstellten, um ihre Größe und Stärke den Gegnern gegenüber beeindruckend wirken zu lassen, ist das Schachspiel europäisch konzipiert.
Das Schachspiel nimmt unter den Brettspielen eine besondere Stellung ein. Es wirkt mit seinen wenigen Figuren und dem arg überschaubaren Muster heller und dunkler Felder eher simpel. Jedoch kann dieses Spiel für sich in Anspruch nehmen, über Jahrhunderte nicht vergessen worden zu sein und bis zum heutigen Tage als interessantes Kuturphänomen zu fungieren. Die Wirkung des Spieles geht weit über eine profane Freizeitbeschäftigung hinaus.
Schach und eSport als Breiten- und Spitzensport
Schach ist genauso Breiten- wie auch Spitzensport. Ein guter Schachspieler muss dieses Wettkampfspiel trainieren, bis der Gegner möglichst schnell schachmatt gesetzt wird. Viele Schachspieler sind in (Sport-)Vereinen organisiert und der Deutsche Schachbund e.V. ist Mitglied im Internationalen Weltschachbund (FIDE). Schach ist vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) als Sportart im 1:1 Wettbewerbsmodus anerkannt.
Mit der Digitalisierung und dem Aufstieg der Games-Branche haben sich wettbewerbsorientierte digitale Spiele auf der Schachgrundidee entwickelt, auf einer Map (Spielfeld) treffen zwei Mannschaften aufeinander und müssen nach den jeweiligen Spielreglen die gegnerischen Spielfiguren "schlagen", aus dem Spielfeld entfernen, um z.B. den zentralen Turm erobern zu können (König matt setzen). Diese Form des digitalen Wettkampfspiels wird als eSport bezeichnet und ein spezielles Genre sind die MOBA-Games (Multiplayer Online Battle Arena), wie League of Legends oder DOTA. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verweigt aus finanz- und machtpolitschen Gründen jedoch bisher eine Gleichstellung mit dem Schachspiel als Sportart (Presseartikel dazu bei ZEIT online vom 28.08.2019), obwohl inzwischen viel mehr junge Menschen diese Sportarten online in Streams verfolgen als Fernsehzuschauer die Olympischen Spiele. So kreativ und vielfältig, wie Gamedesigner inzwischen wettbewerbsorientierte digitale Spiele gestalten, kreieren analoge Spieledesigner ähnlich ideenreich Schachfiguren.
Schach und die Kunst
Fasziniert von der Symbolhaltigkeit des Schachspiels als Modell der widerstreitenden Gewalten, haben sich zahlreiche Künstler der Gestaltung dieses Spiels angenommen. Bei den künstlerischen Gestaltungen der Figuren haben die kreativen Schaffenden sich an kriegerischen Szenarien der Menschheitsgeschichte angelehnt.
In vilefältiger Weise sind die Firguren auch an fühere indische Bedeutungen angelehnt, wo der König ein General war oder der Läufer ein Kriegselefant. Der Künstler Andrzej Nowakowski schuf seine filgranen Schachfiguren aus Silber. Thematisch lehnte er sich an den Krieg des polnischen Königs Jan Sobiesky (Johann III. Sobieski) gegen die Türken an. Bei der zweiten Belagerung vor Wien 1683 kam er mit seiner Armee den Österreichern zu Hilfe und besiegte die Türken. Dieses Spiel ist damit ein Symbol für diesen Krieg. Viele weitere Schachspieldesigns nutzen historische Hintergründe, aber auch gallische Krieger können im Comicstil gegen römische Soldaten antreten (Asterix und Obelix als Schachfiguren).
Schachfiguren vom polnischen Künstler Andrzej Nowakowski (1938-2008): "Polen gegen Türken". Figuren in Silber, Erinnerung an den militärischen Sieg der Polen unter König Johann III. Sobieski bei Wien, Schlacht am Kahlenberg vom 12. September 1683. (Quelle: Chess Collectors International)
Der britische Humor kann bekanntermaßen sehr skurril sein. Bei einem Schachspiel, wo sich zwei gleichstarke Gegener respektvoll gegenüberstehen, käme wohl kein Deutscher auf die Idee, dass verbrecherische deutsche Naziregime figürlich darzustellen. Ein ansächsischer Künstler schon (s. Bild). Der Terror und Vernichtungskrieg des II. Weltkrieges steht fernab von einem fairen Schachspiel. Aber diese Gestaltung zeigt die bis in unsere Neuzeit gültige Darstellung des Spiels als Kriegsspiel. Ist Schach doch ein Kriegsspiel?
Schachfiguren von einem britischen Künstler: "II. Weltkrieg". Deutschland gegen Großbritannien. Könige sind Georg VI und Hitler, Damen sind Queen Mary und Eva Braun, ansonsten sind Churchill und Göring (Turm) zu erkennen sowie Montgomery und Rommel auf einem Panzer als Läufer. Die Springer sind eine englische Bulldogge und ein deutscher Adler. (Quelle: Chess Collectors International)
Ist Schach ein Kriegsspiel?
Schach erfordert intensive strategische Überlegungen. Die Spielsteine werden als Armeen dargestellt und sollen gegeneinander kämpfen. Die jahrhundertelange Analogie zwischen Schach und Krieg wird durch viele Dokumente und Spiel deutlich.
Im Schach geht es also darum, eine Armee zu führen und die Akteure zu zu positionieren, dass sie den Feind besiegen können. Der Spieler muss mit jedem Zug taktische Überlegungen anstellen, um seine Figuren passend über das Schachbrett zu bewegen, einen Angriff zu starten, aber gleichzeitig die eigene Verteidigung aufrecht zu erhalten. Es kann ein asymetrischer Kampf entstehen, wenn jede Seite unterschiedliche Figuren mit unterschiedlichen Fähigkeiten hat. Wie in einem echten Krieg stehen sich dann in einer Gefechtssituation Soldaten mit unterschiedlichen Stärken gegenüber.
Im Spielverlauf kann ein asymetrischer Kampf entstehen
Viele Begriffe aus dem Schach, wie auch im Fußball, werden identisch im Krieg verwendet, z.B. "Angriff", "Verteidigung", "Offensive", "Attacke", "Aufstellung", "Schlachtordnung", "Gemetzel". Ist Schach dann ein Kriegsspiel, weil es Elemente eines strategisch geführten Krieges verwendet, bei dem es darum geht, einen Gegner zu besiegen? Es sind taktische Überlegungen anzustellen und operativ die Figuren der eigenen Armee so zu bewegen, wie das Militär insgesamt agieren würde und die Spielsteine symbolisieren Soldaten, Kavallerie und Artillerie . Aber...
Krieger, Soldaten, Befehlshaber, Häuptling, Verteidigung, Angriff, Kriegssprache im Schach
Wenn ein Schachspiel immer in einer friedlichen Umgebung gespielt wird und die intellektuelle Herausforderung im Vordergrund eines Wettstreits steht, in Kombination mit der Schönheit der ästhetisch geformten Spielfiguren, dann wird doch ein Konflikt auf eine abstrakte Ebene gehoben. Ein Spiel findet in dem Raum der Fiktion statt und genau dort wird verhindert, dass es zu einer ernsthaften Auseinandersetzung kommt, wo Menschen einen physischen Schaden erleiden könnten oder gar der Tod sie ereilt.
Die Ureinwohner Nordamerikas haben zum Ausgleich der Konflikte unter den jeweiligen Stämmen, den inszenierten Wettkampf mit definierten Mannschaften über den Ballsport erfunden (s. Spiel "Lacrosse", Baggataway, Tewaraathon, 1634 zum ersten Mal von einem französischen Missionar erwähnt). Sämtliche heutige Mannschaftssportarten rund um einen Ball, Fußball, Handball, Basketball etc. lassen sich darauf zurückführen. Die Indianer weihten dieses Spiel ihrem Kriegsgott und nannten den sportlichen, spielerischen Wettkampf "kleiner Bruder des Krieges". Diese Bewegungsspiele können auch als Vorbereitung auf einen echten Krieg verstanden werden, dienten aber oft zur Schlichtung von realen Streitigkeiten und wurden als Gottesurteil anerkannt. Und Schach reduziert die Auseinandersetzung auf einen rein geistigen Wettkampf.
Das Kräftemessen zweier Spieler ist im Schach fern ab von physischer Gewalt und brutalen Auseinandersetzungen zwischen Gruppen und Nationen. Schach fördert die Fähigkeit des Spielers zu kritischem Denken, zu komplexen Problemlösungen und weitsichtigen Planungen. Wobei der Weg dorthin oft erst über viele Niederlagen, Disziplin und Übung erfolgt. Es ensteht kein "echter" Schaden, kein reales Leid und kein unwiderruflicher Tod. Menschenleben oder Besitztümer werden nicht vernichtet.
Schach hat klare Regeln, alle Informationen liegen offen, der Zufall und das Chaos des Krieges werden ausgeschlossen (s. Clausewitz), es besteht eine faire Spielmechanik und die Ungleichheit und Ungerechtigkeit des Krieges finden keinen Platz im Spiel. Schach kann als eine Kunstform betrachtet werden, wie auch jede andere Sportart, die auf mühsam trainierten Fähigkeiten und Fertigkeiten beruhen, wenn man im partnerschaftlichen Wettkampf gewinnen will. Nein, Schach ist kein Kriegsspiel, das würde zu einer Verharmlosung des leidvollen Krieges führen, wo reale Gewalt und Aggression die Menschen unmenschlich werden lassen.
Schach in Wissenschaft und Forschung
Schach ist eines der wesentlichen Brettspielklassiker seit Jahrhunderten. Es erfordert und trainiert ein strategisches Denken und führt zu einer Verbesserung der Leistungsfägihkeit, wie zahlreiche Studien beweisen. Darüber hinaus bietet das Spiel für alle Altersgruppen Herausforderungen, die einen langfristigen Spielreiz, zumeist ein Leben lang, liefern. Das Spiel fördert die Konzentration und Aufmerksamkeit, eine Fähigkeit, die beim Lösen von komplexen, realen Herausforderungen in einer komplexen Gesellschaft hilfreich sind.
Games, Militär und Politik
Veranstaltung im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden.
Militärhistorisches Museum der Bundeswehr in Dresden, Albertstadt-Kaserne und Libeskind-Architektur
Manouchehr Shamsrizi bei seinem Vortrag zu Games-Militär-Politik