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KI - Künstliche Intelligenz und Brettspiele, Schach und Go

Die Künstliche Intelligenz (KI) oder Artifizielle Intelligenz (AI) hat sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der digitalen Transformation und des technischen Fortschritts. Mit der KI sollen Menschen komplexe Herausforderungen besser meistern, hoffentlich qualitativ bessere Entscheidungen fällen und das mühsame menschliche Lernen mit dem maschinellen Lernen leistungsfähiger gestalten können. Rund um den 60-minütigen TV-Beitrag von Gert Scobel in der gleichnamigen Sendung auf 3sat vom 15. September 2022 liefert dieser Blogbeitrag weitere Zusammenhänge und Hintergrundinformationen.

KI und Schach

Schach als erste große Herausforderung für die KI

Für bestimmte einzelne Herausforderungen von Unternehmen, Institutionen oder spezifische Menschheitsfragen, hat die Computertechnologie die Künstliche Intelligenz entwickelt. Inzwischen besteht dort der integrierte Bereich des "Machine Learning" (ML, Maschinelles Lernen). Aus Daten und Erfahrungen lernen Computer immer besser Aufgaben zu erledigen.

Um reale Herausforderungen bewältigen zu können, stellen die künstlichen, spielerischen Herausforderungen der Brettspiele eine hervorragende Übungsfläche dar. Intensiv trainierte Algorithmen erkennen in anscheinend unstrukturierten Daten (Spielergebnisse, Bildern, Musik, Texten, Sprache = NLP: Natural Language Processing etc.) Muster, Zusammenhänge, Abhängigkeiten, Einflussgrößen oder Regeln (Deep Learning, DL), anhand derer sie Entscheidungen eigenständig treffen können. Wie in jedem Spiel. Die Spielwissenschaften sind damit zu einem Fundament und hauptsächlichen Treiber unserer gesellschaftlich relevanten Zukunftstechnologien geworden.

Künstliche Intelligenz und die Brettspiele Schach und Go

In der Wissenschaftssendung "KI und Spieltrieb" des TV-Senders 3sat im Rahmen der Sendereihe "Scobel" (Wissen hoch 2) vom 15. September 2022 wurde anhand der Brettspiele Schach und Go die Entwicklung und Veränderung der KI-Forschung beschrieben. Im Gespräch mit dem Impulsgeber und TV-Moderator Gert Scobel sprachen die Schachgroßmeisterin Elisabeth Pähtz, der Ludologe Jens Junge und der KI-Forscher Kristian Kersting über den aktuelle Stand der KI-Forschung und den Ausblick auf die kommenden Fähigkeiten dieser Technologien. 

 

Link zur Sendung "KI und der Spieltrieb" bei dem TV-Sender 3sat (verfügbar leider nur bis zum 15.09.2027):HIER.

Der britische Computerwissenschaftler Alan Turing (1912-1954) war einer der frühen Forscher, der für die Informatik die theoretischen Grundlagen formulierte. Schon 1947 hielt er einen Vortrag zum Thema Comuterintelligenz und postulierte:"Was wir wollen, ist eine Maschine, die aus Erfahrungen lernen kann." Die Möglichkeit der Maschine, ihre eigenen Anweisungen ändern zu können, liefert den Mechanismus, um sich auf die Spur zu den Erfahrungen technologisch zu begeben, vorerst mit Wissen und Daten, die die Maschinen aus dem selbstständigen Lernen gewinnen. 1953 entwickelte Alan Turing eines der ersten Schachprogramme, um gegen einen Computer Schach spielen zu können. Heute haben die Entwickler der Künstlichen Intelligenz genau diesen Mechanismus, den Turing anstrebte, realisiert, damit wir Menschen hoffentlich in unser komplexen Welt bessere Entscheidungen treffen und für unser Verhalten Hinweise bekommen, die wir als defizitäre und fehlerhafte Menschen uns selbst nicht erarbeiten können.

Entscheidungen und Konsequenzen voraussehen

In Strategiespielen müssen ständig Entscheidungen in komplexen Situatonen gefällt werden. Sind wir uns der Konsequenzen unserer Entscheidungen immer komplett bewusst? Wohl nein. Ansonsten hätten wir wohl weniger Krisen weltweit und würden nicht sehenden Auges in eine globale Klimakatastrophe hineinfahren. Kann uns die Schlüsseltechnologie der Künstlichen Intelligenz befähigen, schneller schädliche Verhaltensmuster im voraus zu erkennen und uns Altenativen bieten? Gute Schach- und Go-Spieler denken in Szenarien und Zügen viele Entscheidungen voraus. Diese Spiele bilden eine ideale Grundlage für die Entwicklung von "Deep Learning" über neuronale Netzwerke. Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand heute? Wo wird es hingehen? Bessere Klimamodelle, bessere medizinische Diagnosen, hilfreiche technische Assistenten und viele weitere Anwendungen ergeben sich daraus.

Gesprächsrunde im TV-Studio in Köln für den TV-Sender 3sat - Wissen hoch 2 mit Jens Junge, Elisabeth Pähtz, Gert Scobel und Kristian Kersting vom 15.09.2022

Was ist Intelligenz? Gert Scobel: "Ein Schachcomputer mag vielleicht jeden im Schach schlagen, aber er fährt mit all seiner Intelligenz verdammt schlecht Auto. Intelligenz ist begrenzt. Unsere eingeschlossen. Was dann zum Problem wird, wenn wir unsere Entscheidungsfähigkeit trainieren und die Probleme der Gegenwart lösen wollen. Weshalb wir auch an Künstlicher Intelligenz arbeiten."

Gäste der Sendung: Elisabeth Pähtz, seit 16 Jahren die Nummer 1 der deutschen Schachspielerinnen und die erste Deutsche, die den Titel "Schachgroßmeister" (Schachgroßmeisterin?) erhielt. Jens Junge, Gründer des Instituts für Ludologie und Professor für Wirtschaftswissenschaften und Marketing, erforscht das komplexe Feld der Spiele und des Spielens. Kristian Kersting, Leiter des Artificial and Maschine Learning Lab an der TU Darmstadt als Professor für Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen und arbeitet mit seinem Team an dem Ziel, Computer so schnell und felxibel so viel über die Welt lernen zu lassen, wie Menschen.

Elisabeth Pähtz, Turnierschachspielerin, auf der Weltrangliste des Weltschachverbandes Platz 40, erste deutsche Schach-Großmeisterin, beste Elo-Zahl 2513 (Spielstärke 2018)

Kernaussagen von Elisabeth Pähtz:

Frage: Was ist für Sie die entscheidende Eigenschaft als Schachspielerin?
Antwwort: Ich würde sagen, nach jeder gespielten Partie diese aus dem Kopf heraus wieder mit jedem Zug nachkonstruieren zu können. Das ist die Gedächnisleistung und das Grundtalent, was für gute Schachspieler ein wichtiger Baustein ist. Da gibt es ein Grundtalent, was man nicht trainieren kann.

 

Prof. Dr. Jens Junge, Direktor des Instituts für Ludologie, Berlin

Kernaussagen von Jens Junge:

Frage: Würden Sie sagen, dass uns Spiele helfen, bessere Entscheidungen treffen?
Antwort: Auf jeden Fall. Das Spiel ist für uns Menschen ein Urphänomen. Wir fangen als Baby an, diese Welt spielend zu begreifen, explorativ geht es los, dass jedes Kind mit Spielspaß die Welt entdeckt. Wir bewegen und spielerisch mit der Sprache und ihren Regeln in eine Kultur hinein. Von der Materie zum Geist, von der Natur zur Kultur kommen wir zu den Rollenspielen. Dann wollen wir die Welt verändern und kommen zu den Konstruktionsspielen, spielen mit unseren Bauklötzen. Danach kommt die nächste, wichtige Spielkompetenz, mit Regelspielen den Dialog mit der Welt zu führen.

Frage: Was kann ich im Schachspiel lernen, was ich übertragen kann auf Alltagssituationen?
Antwort: Spiele helfen uns weiter und vermitteln uns Optimismus. Um ein guter Schachspieler werden zu können, braucht man Übung, muss man trainieren. Natürlich gehört das Verlieren dazu. Anhand des Scheiterns kapiere ich, dass ich intelligenter werden muss, dass ich vielfältiger sein muss, ich muss mir etwas anderes ausdenken, um das nächste Mal gewinnen zu können. Das ist das, was uns fordert und wo wir uns weiterentwickeln. Das tut uns gut und schafft Optimismus.

 

Prof. Dr. Kristian Kersting, Leiter des Artificial and Maschine Learning Lab an der TU Darmstadt

Frage: Sie haben ein Schachsystem entwicklet, das besser war als AlphaGo?
Antwort: Ja. Wir haben alogrithmische Vorteile entwickelt, was man die Forschung nennt. (10:41)

 

TV-Moderator Gert Scobel

 

Wettkampf zwischen Mensch und Maschine

Der von IBM entwickelte Computer "Deep Blue" schlug den damals amtierenden russischen Schachweltmeister Garri Kasparow (Garry Kasparov) im Jahre 1997 in einem Rematch "Mensch gegen Maschine".

 


Die Financial Times erinnerte im Jahre 2017, an die Niederlage von Garry Kasparov vor 20 Jahren gegen den IBM-Schachcomputer Deep Blue und stellte die Frage, was Menschen machen werden, wenn sie feststellen, dass ihr Fachwissen überflüssig wird. Was bedeutet das für die menschliche Arbeit, für das Selbstwertgefühl und das Gefühl der Menschlichkeit, wenn Computer besser Herausforderungen meistern, als gut ausgebildete und intelligente Menschen?

Komplexer als Schach: Das asiatische Go-Spiel

Ebenso wie Schach ist das Go-Spiel ein Brettspiel für zwei Personen, bei dem sämtliche Informationen transparent auf dem Tisch liegen und für einen Computer einsehbar sind. In der Spielmechanik ist der Zufall ausgeschlossen. Go ist wörtlich ein Umzingelungsspiel, bei dem es auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz ankommt, um eine erfolgreiche Strategie gegen einen Gegner durchsetzen zu können.

 


ZEIT online vom 28.01.2016: "Google besiegt erstmals einen Go-Profi", Link zum Online-Artikel:HIER.

 


WirtschaftsWoche online: "Was der Sieg der Maschine für den Menschen bedeutet", Link zum Artikel:HIER.

Googles Computer AlphaGo (entwickelt von der britischen Firma DeepMind) schlug den koreanischen Go-Profi Lee Sedol, der durch die Spielweise des Computers gegen sich in einen "Schockzustand" geriet, wie er selbst formulierte. Dieser Sieg eines Computers im Brettspiel Go gegen einen der stärksten menschlichen Gegner (9. bis 15. März 2016) gilt als historisch (s. AlphaGo gegen Lee Sedol bei Wiki).